CLP Interviewreihe: Dr. Hella Fischer

Wie können Juristen von einer Coachingausbildung profitieren?
Und wo genau kommt (Legal) Coaching in der juristischen Praxis zum Einsatz?
Dr. Hella Fischer, Rechtsanwältin, Mediatorin und (Legal) Coach im Interview bei CLP.

Dr. Hella Fischer ist seit ca. 20 Jahren als Anwältin in eigener Kanzlei in Bonn aktiv tätig. Ihr juristisches Studium absolvierte sie zunächst in Passau, ergänzt durch eine fachspezifische Ausbildung in Italienisch. Mit dem Wechsel an die Universität Münster kam eine intensive Beschäftigung mit der Rechtsphilosophie und Rechtsgeschichte hinzu. Ein Schwerpunkt ihres fachlichen Interesses lag seit Beginn des Studiums im Verständnis von Bewertungen und Lösungsansätzen zu menschlichen Grundkonflikten. Dabei wurde ihr schnell deutlich, dass es nicht die eine Lösung oder die absolute, allgemeingültige Lösung gibt. Jeder Mensch ist anders, jeder Fall ist anders. Jeder menschliche Konflikt fordert eine eigene Lösung. Wichtig ist, die Besonderheit des einzelnen Falls zu verstehen und sie in die Lösung einzubeziehen. Auf diese Erkenntnis bauen ihr Berufsverständnis und ihre Berufsausübung auch heute noch auf.

Den Beruf der Anwältin zu wählen, entspringt dem Wunsch, andere unterstützen und auf dem Weg zur eigenen Lösung begleiten zu wollen. Die Feldkompetenz in Sachen Schule, Arbeit, Familie und Pferde gab die Rechtsgebiete vor. Wesentlich aus den ersten Jahren ist die Erkenntnis, neben der fachlichen, juristischen Kompetenz die jeweilige Sprache des Feldes zu beherrschen und die grundlegenden Themen des Feldes zu verstehen, um einen Konflikt nachvollziehen zu können. Für Andere aufzutreten und zu formulieren, was das jeweilige Ziel sein sollte, war Hauptaufgabe. Die Erkenntnis, dies im Wege einer individuellen Lösung nachhaltig zu gestalten, trat mit laufender Berufserfahrung fast zwangsläufig hinzu. Dies führte 2016 zur Ausbildung zur Mediatorin mit der Erweiterung der Tätigkeit auf die Familien- und Erbmediation. Der Abschluss zum Legal Coach kam 2023 dazu.

Frau Dr. Fischer ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. Ohne ihre Rauhaardackel fühlt sich Frau Dr. Fischer nicht komplett. Sie hat ein Faible für die Kunst des Expressionismus, die Musik Beethovens und die Philosophie der frühen Romantik in Deutschland. Am liebsten trinkt Frau Dr. Fischer Tee. Reisen und der Austausch mit Menschen aus anderen Lebenswelten bilden für sie eine große Bereicherung.

1. Wann haben Sie sich zum ersten Mal mit Coaching beschäftigt und warum? Was hat Sie daran besonders fasziniert?

Zum Coaching fand ich über die Mediation. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Menschen in der Mediation oftmals mit sich selbst überfordert sind. Eine gemeinsame Sprache zu finden, fällt schwer, wenn nicht klar ist, welche Ziele, Motivationen, Werte und Glaubenssätze den Einzelnen bewegen. Dies gilt selbstredend auch für die Mediatorin, die nicht erfolgreich führt, ohne ihr eigenes Mindset zu kennen. Der Schlüssel zum eigenen Ich kann ein Coaching sein, ohne dass bewertend oder therapeutisch auf die Beteiligten eingewirkt wird.

2. Worauf haben Sie persönlich beim Erlernen von Coaching besonders geachtet?

Für mich steht in meiner Arbeit, gleich in welcher Rolle, das Empowerment meiner Klienten im Vordergrund. Es ist meine tiefe Überzeugung, dass jeder von uns die eigene Lösung in sich selbst trägt, ob nun im Konflikt oder allgemein in einer Lebenskrise. Coaching und Techniken des Coachings müssen immer im Respekt vor der Person des Klienten stehen. Dieser Respekt wird durch eine klare Struktur und durch die Beachtung der Kernkompetenzen gewährleistet. Beides empathisch auszuüben, stand von Anfang an in meinem Fokus. Erst damit erfahren die Klienten im Coaching eine Förderung ihrer seelischen, emotionalen und körperlichen Selbstwirksamkeit.

3. Was hat sich für Sie nach Ihrer Coachingausbildung in Ihrer juristischen Tätigkeit verändert? Welche Reaktionen haben Sie von Kollegen, Mitarbeitern und Klienten erhalten?

Als Coach erlaube ich mir den Rundumblick zur Person und zur Situation. Es entsteht in meiner Arbeit über die vermeintliche Position oder Forderung hinaus im Klienten ein Mensch mit Gefühlen, Ängsten, aber auch Stärken und Visionen. Dies erlaubt mir einen anderen Zugang zu meinen Klienten. Ich werde selbst nahbarer. Die Nähe lässt eine Offenheit und ein Vertrauen zu, die in der juristischen Arbeit keinen Platz hat. Dies geschieht immer im gegenseitigen Einverständnis und wird dann als bereichernd und nachhaltig empfunden. Ich kann es allerdings im Respekt vor dem Mandat auch gut stehen lassen, wenn eine Klientin die Ebene des Coachings nicht betreten möchte. Mein einzelner Auftrag ist es, der über die Beziehung entscheidet und der auch mich vor einem Zuviel an Arbeit schützt.

4. Wozu setzen Sie Coaching heute in Ihrer beruflichen Situation ein?

Ich habe mich entschieden, meine berufliche Tätigkeit auf die der Anwältin und des Coaches zu konzentrieren, und zwar im Hinblick auf die Themen Schule und öffentlicher Dienst. Ich sehe hier eine besondere Herausforderung in der Kombination von Beratung/Vertretung und Coaching. Es handelt sich um sensible Rechtsverhältnisse in einem hierarchischen Gefüge, die aus meiner langjährigen Erfahrung ein besonderes Fingerspitzengefühl in der Vorgehensweise notwendig macht. Gleichzeitig entstehen hier häufig Abhängigkeiten bis zum Gefühl des Ausgeliefertseins. Hier zur Bewältigung von Ängsten und zur Förderung von Selbstwirksamkeit und Freiheit beizutragen, ist mein erklärtes Ziel.

5.  Wie hoch schätzen Sie insgesamt die Relevanz von Coaching oder Coachingausbildungen für Juristen ein? Wie nehmen Sie die Entwicklungstendenzen wahr?

Die Anwaltschaft muss sich schon heute fragen, was sie von der künstlichen Intelligenz unterscheidet. Warum/wozu sollte der professionelle Rat eines Juristen wichtig sein? Mit Hilfe des Coachings tritt die notwendige Differenzierung am individuellen Fall ein. Deshalb halte ich Coaching für Juristen für enorm wichtig. Auch Juristen müssen die richtigen Fragen mit einem psychologisch geschulten Blick stellen können. Erst damit gelangen wir zu nachhaltigen Lösungen, die im juristischen Verfahren erarbeitet werden können.

Ihr persönliches Fazit:

Eine meiner Töchter hat sich für den Beruf der Richterin, die andere für den Beruf der Pfarrerin entschieden. Ich kann beiden Berufen, die eine klare Rolle beschreiben, viel abgewinnen. Die Rolle der Anwältin/ des Coaches ist vielschichtig und individuell, so wie die Person, die sie ausübt. Als Anwältin sehe ich mich nicht als diejenige, die sich dem aggressiven Kampf, sondern der Lösung  mit Fokussierung auf eine smartes Ziel verschrieben hat. Für mich als Anwältin gehört das Coaching deshalb dazu. Ich bin sicher, viele meiner Mandanten und Klienten meinen das auch.

Vielen herzlichen Dank.

Freuen Sie sich auf weitere (Legal) Coaches und lassen Sie sich inspirieren!

Mehr zu Dr. Hella Fischer finden Sie hier:

www.Kanzlei-Hella-Fischer.de

Mehr zu (Legal) Coaching finden Sie hier.

Finden Sie Ihren Legal Coach im Legal Coach Finder.