CLP Interviewreihe: Dr. Claudia Henze

Wie können Juristen von einer Coachingausbildung profitieren?
Und wo genau kommt (Legal) Coaching in der juristischen Praxis zum Einsatz?
Dr. Henze, Rechtsanwältin, Mediatorin und Coach im Interview bei CLP.

Frau Dr. Claudia Henze hat ihre juristische Ausbildung in Frankfurt am Main, Mannheim, Tokyo und New York absolviert. Sie ist selbständige Rechtsanwältin, zertifizierte Mediatorin BM®, QVM® und systemischer Coach. Die von ihr gegründete Kanzlei „CONSOL – Where CONflict meets SOLution“ mit Sitz in Kronberg im Taunus vor den Toren der Mainmetropole Frankfurt ist auf Mediation und Konfliktcoaching spezialisiert. Darüber hinaus begleitet Frau Dr. Henze erfolgsorientierte Menschen, die eine berufliche oder private Sinnkrise überwinden wollen, bei der Neuausrichtung ihres Lebens. Sie arbeitet mit ihren Klienten live vor Ort genauso gern und erfolgreich wie virtuell. Wenn sie sich nicht mit Fragen rund um Konfliktmanagement und Coaching beschäftigt, ist Frau Dr. Henze passionierte Globetrotterin und Hobby-Fotografin. Ganz besonders schlägt ihr Herz für romantische Sonnenuntergänge. Energie und Kraft tankt sie bei ausgedehnten Spaziergängen, Wanderungen und Fahrradtouren in Mutter Natur.

1.Wann haben Sie sich zum ersten Mal mit Coaching beschäftigt und warum?Was hat Sie daran besonders fasziniert?

Heutzutage gibt es kaum ein Medium, in dem man nicht in irgendeiner Form mit dem Begriff „Coaching“ konfrontiert wird. Das erste Mal, dass ich persönlich mit dem Thema in Berührung kam und mich gedanklich damit auseinandergesetzt habe, war während meiner Weiterbildung zur Mediatorin. Bei dieser Gelegenheit lernte ich viele Menschen kennen, die bereits eine Ausbildung zum Coach – meist eine systemisch orientierte Ausbildung – absolviert hatten und mir mit ansteckender Begeisterung davon erzählten. Zahlreiche Inhalte der Mediationsausbildung waren den Teilnehmern mit Coaching-Abschluss meistens schon geläufig. Ich fand es toll, wie wunderbar sich Mediations- und Coaching-Tools zu ergänzen schienen. Ich hatte Blut geleckt. Die Idee, sich einmal selbst zum Systemischen Coach ausbilden zu lassen, ging mir fortan nicht mehr aus dem Kopf.

2. Worauf haben Sie persönlich beim Erlernen von Coaching besonders geachtet?

Zur Beantwortung dieser Frage muss ich noch mal auf die bereits angesprochene Mediationsausbildung zu sprechen kommen. Damals habe ich bei der Wahl eines geeigneten Anbieters neben Seriosität großen Wert auf den beruflichen und persönlichen Hintergrund der Ausbilder gelegt. Nach einer langen klassischen Juristen-Laufbahn mit zwei Staatsexamina und Promotion wünschte ich mir, im Rahmen meiner Weiterbildung ein bisschen „interdisziplinäre Luft“ zu schnuppern. Ich entschied mich schließlich für ein Institut, bei dem das Ausbildungsteam neben Juristen auch aus Psychologen, Kommunikationswissenschaftlern, Politologen und Pädagogen bestand, die ihre jeweilige fachliche Expertise in die Lehrinhalte einfließen ließen. Auch die Teilnehmer kamen aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen. Das war vor allem bei Übungen und Rollenspielen eine äußerst wertvolle Erfahrung und hat immer wieder zu Aha-Momenten geführt. So erzählte mir ein Kollege, der Psychologe, Mediator und Coach ist, dass er sich vor einer Sitzung nicht nur Gedanken über die Sitzordnung seiner Klienten macht. Er setzt sich im Vorfeld zudem auch erstmal auf jeden einzelnen Stuhl in seinem Praxisraum, prüft die Perspektive und lässt die Atmosphäre von dort aus auf sich wirken. Gegebenenfalls nimmt er ein paar Änderungen vor und entscheidet dann final, wo er wen platziert. Wir haben dieses Vorgehen in der Gruppe bei Übungen getestet und tatsächlich - wo genau man sitzt, kann so einen großen Unterschied machen! Diese Erfahrung hat sich bei mir eingebrannt. Noch heute ist das „Probesitzen“ ein fest integrierter Bestandteil meiner beruflichen Praxis.

Nachdem mir die Interdisziplinarität bei der Mediationsausbildung und insbesondere der psychologische Input so viel Spaß gemacht hatten, stand fest, dass für mich nur eine Coaching-Ausbildung bei einem ausgewiesenen Experten für Psychologie in Frage kommt. Ich wollte meinen Methodenkoffer als Mediatorin unbedingt weiter ausbauen und mehr über die Einsatzgebiete und den Nutzen von Coaching lernen! Nach gründlicher Recherche und eines durchweg positiven Echos von ehemaligen Ausbildungsteilnehmern fiel meine Wahl schlussendlich auf das Coaching-Institut eines renommierten und erfahrenen Psychologen. Diese Entscheidung war für mich persönlich goldrichtig!

3. Was hat sich für Sie nach Ihrer Coachingausbildung in Ihrer juristischen Tätigkeit verändert? Wozu setzen Sie Coaching heute in Ihrer beruflichen Situation ein?Welche Reaktionen haben Sie von Kollegen, Mitarbeitern und Klienten erhalten?

Seit Studienzeiten sind Juristen trainiert, fachliche Fragestellungen rational, analytisch und strukturiert in Angriff zu nehmen. Das ist auch durchaus nützlich, etwa wenn man sich einen Überblick über einen komplexen Sachverhalt verschaffen und schnell und effizient Wesentliches von Unwesentlichem trennen muss. Schließlich geht es im juristischen Berufsalltag darum, den vier „W-Fragen“ auf die Spur zu kommen – 1. „WER“ will 2. „WAS“ von 3. „WEM“ und 4. „WORAUS“, also aufgrund welcher Anspruchsgrundlage? Bei der Bearbeitung persönlicher Themen und Anliegen, mit denen ich es in meinem Berufsalltag als Mediatorin, Konflikt- und Life-Coach regelmäßig zu tun habe, geht es jedoch noch um eine fünfte, sehr gewichtige „W-Frage“ – das „WARUM“?. Wo genau steckt die Ursache eines Konflikts oder eines persönlichen Problems? Welche Interessen und Bedürfnisse liegen den Positionen der Klientinnen/ Klienten zugrunde? Bei welchen Punkten gibt es Unterschiede und vielleicht Gemeinsamkeiten?

Ein Streit, eine persönliche oder berufliche Krise ist meist nur die berüchtigte „Spitze des Eisbergs“. Die Aspekte, die sich im Einzelnen hinter einer belastenden Situation verbergen, sind oft vielschichtig. Um Licht ins Dunkel zu bringen und Platz für denkbare Lösungen zu schaffen, muss ein gründlicher Blick unter den Eisberg geworfen werden. Bei dieser Ursachenforschung ist mir meine strukturierte und analytische Arbeitsweise als Juristin durchaus hilfreich. Darüber hinaus spielen bei diesem Prozess aber auch persönliche Eigenschaften wie Empathie, aktives Zuhören, Spiegeln des Gehörten und Fingerspitzengefühl eine zentrale Rolle. Wie ich diese und andere Soft-Skills gezielt zum maximalen Nutzen meiner Kundschaft einsetze, habe ich in meiner Coaching-Ausbildung gelernt und davon profitiere ich in jeder meiner Sitzungen, sei es in meiner Funktion als Anwältin, Mediatorin oder Coach.

Ich bin inzwischen routiniert darin, meinen Klienten viele, durchaus auch unkonventionelle Fragen zu stellen, mal humorvoll zu provozieren oder eine paradoxe Intervention einzusetzen. Mitzuerleben, wie man Menschen mit Hilfe solch kreativer Methoden zum Nachdenken beflügelt, sie dadurch Klarheit gewinnen und so oftmals wieder Bewegung in eine scheinbar festgefahrene Situation kommt, begeistert nicht nur mich immer wieder aufs Neue. Auch meine Klienten sind immer wieder fasziniert und sehr dankbar, wenn in einer Sitzung plötzlich unbewusst zurückgehaltene Dinge zutage gefördert werden, die nunmehr neuen Raum für Lösungsmöglichkeiten geben oder sie zu Erkenntnissen gelangen, derer sie sich vorher gar nicht bewusst waren. Kollegen, mit denen ich in Co-Mediation zusammenarbeite, melden mir zurück, dass ich unseren Sitzungen durch den Einsatz meiner Coaching-Tools wertvolle Impulse gebe und unsere Mediationen davon profitieren.

4.  Wie hoch schätzen Sie insgesamt die Relevanz von Coaching oder Coachingausbildungen für Juristen ein? Wie nehmen Sie die Entwicklungstendenzen wahr?

„Coaching“ ist zwar buchstäblich in aller Munde, beim Thema Coaching speziell für Juristen gibt es in Deutschland aus meiner Sicht allerdings noch „Luft nach oben“. In der deutschen Juristenausbildung wird nach wie vor leider nur vermittelt, was auch unmittelbar examensrelevant ist. Für „Soft-Skills“ gilt das bisher (noch?) nicht. Diese Tatsache finde ich sehr bedauerlich, denn für eine erfolgreiche juristische Karriere reicht fachliche Kompetenz allein längst nicht mehr aus. Faktoren wie Persönlichkeit und hohe Sozialkompetenz spielen bei der Auswahl eines geeigneten Juristen mindestens eine genauso große Rolle. Bei jedem anwaltlichen Mandat, jedem Gerichtsprozess, jedem juristischen Sachverhalt, jeder Akte geht es schließlich um Menschen und nicht bloß um Fakten, denen man sich rational, analytisch und strukturiert nähern kann. Im Gegenteil, jeder Mensch hat das Bedürfnis, menschlich behandelt zu werden und sich von seinem Gegenüber verstanden fühlen. Sie wünschen sich dementsprechend auch nahbare, aufgeschlossene Juristen, die kommunikationsfähig sind, ihnen aufrichtig zuhören, sich ihrem Anliegen mitfühlend annehmen und Zuversicht ausstrahlen. Es geht nicht um ein Entweder-oder. Im Gegenteil, erst durch die Kombination aus Hard- und Soft-Skills erhöht sich die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich Klienten in jeder Hinsicht gut aufgehoben fühlen. Insofern können Juristen von einer Coaching-Ausbildung, die ihnen ein solides Rüstzeug zum empathischen Umgang mit Klienten sowie ein umfassendes Repertoire an psychologischen Arbeitstechniken vermittelt, nur profitieren. In meinem beruflichen Umfeld gibt es inzwischen einige Kollegen, die dieses Potential für sich bereits erkannt und meist in Ergänzung zu einer Mediationsausbildung auch noch eine Weiterbildung zum Coach absolviert haben – Tendenz steigend.

Ihr persönliches Fazit:

Angehende Juristen, die im Rahmen ihrer Ausbildung die Möglichkeit haben, praktische Erfahrungen im Bereich Coaching zu gewinnen, sollten diese Chance meines Erachtens frühzeitig nutzen. Doch auch für gestandene Juristen, die die traditionelle Juristenlaufbahn bereits erfolgreich durchlaufen haben, ist eine Weiterbildung zum Coach nie zu spät. Ich kann aus eigener Erfahrung nur sagen, eine gesunde Portion Neugier und der Blick über den „juristischen Tellerrand“ lohnen sich – egal zu welchem Zeitpunkt im Leben! Insofern verweise ich zum Abschluss gern noch auf einen Tipp, den Steve Jobs dem Absolventen-Jahrgang 2005 an der Stanford University mit auf den Weg gegeben hat: „Stay hungry, stay foolish.“

Vielen herzlichen Dank.

Freuen Sie sich auf weitere (Legal) Coaches und lassen Sie sich inspirieren!

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